https://www.spektrum.de/news/weltformel-wie-lautet-die-theorie-die-alles-erklaert/2176329

(Übersetzung aus: Scientific American, "Will Scientists Ever Find a Theory of Everything?", 2023; von Sarah Scoles)

[Fragmente ausgewählt von Peter Jakubowski]

Die Physik sucht eine vereinheitlichte Theorie. Wird sich diese auf die Grundprinzipien des Universums beschränken? Vielleicht gibt es eine Wahrheit, die wirklich alles erklärt.

Albert Einstein ist bekannt für seinen Haarschnitt, seine Relativitätstheorie und seine Überzeugung, dass die Begreifbarkeit der physikalischen Welt ein Wunder sei. Er meinte damit die Tatsache, dass der Mensch mit Hilfe von Wissenschaft, Mathematik und seiner eigenen Neurone physikalische Gesetze ableiten kann, denen das Universum zu gehorchen scheint.

Diese Gesetze erklären die Phänomene, die wir um uns herum sehen – dass Glühbirnen aufleuchten, dass Dinge der Schwerkraft folgen und herunterfallen sowie dass Atomkerne zusammenhaften und sich spalten lassen. Und sie helfen uns, künftige Ereignisse vorherzusagen – wie Kollisionen von Galaxien oder die Explosion von Sternen.

Einige Fachleute glauben, dass dieses umfassendere Verständnis auf einer Weltformel basieren muss, der »Theory of everthing« (englisch: Theorie von Allem): einem einzigen theoretischen Grundgerüst, das das Universum erklärt. Andere wiederum glauben nicht, dass das Universum so verständlich ist, wie Einstein vermutet hat. Aus ihrer Sicht ist die Suche nach einer solchen Weltformel Zeitverschwendung – weil es nicht möglich sei, sie zu finden.

Beide Seiten sind sich einig, dass der Mensch niemals eine Theorie von allem und jedem finden wird. Ganz gleich, wie erfolgreich eine Weltformel bei den Grundprinzipien des Universums sein mag, es ist unwahrscheinlich, dass diese jemals erklären kann, warum Sie lieber extra Essiggurken auf Ihrem Cheeseburger essen oder eine irrationale Angst vor Clowns haben. Wenn Personen poetisch von einer Weltformel schwärmen (oder sich darüber streiten), meinen sie etwas ganz Bestimmtes. »Es geht darum, alle Kräfte der Natur in einer einzigen Kraft zu vereinen«, sagt die Physikerin Katherine Freese, Professorin an der University of Texas in Austin.

Nicolaides und andere vertreten auch die eher pessimistische Ansicht, dass es zwar irgendwo da draußen eine Weltformel geben könnte – eine noch umfassendere als nach der physikalischen Definition –, der Mensch sie aber vielleicht nie finden wird. Und selbst wenn wir sie fänden, wäre »alles« immer noch nicht wirklich alles. »Wir könnten, zumindest im Prinzip, die Ursache aller Phänomene kennen, bis auf eines«, sagt er. »Die interessantesten Phänomene könnten wir weder kennen noch erklären: Warum gibt es etwas und nicht nichts, warum gibt es überhaupt eine Natur oder warum gibt es diese Natur mit diesen Gesetzen? Die Wissenschaft kann diese Fragen nicht beantworten.«

Würde eine Weltformel überhaupt etwas verändern?

Forscher und Forscherinnen werden zweifellos weiterhin versuchen, sich einer Vereinheitlichung zu nähern. »Der Ansatz, den Physiker für das Universum gewählt haben, lautet: vereinfachen, vereinfachen, vereinfachen«, sagt Freese. »Wenn man sich da draußen umschaut und sieht, dass ›der Wind dies tut‹ und ›der Stuhl das macht‹, und man das alles mit einer einzigen Gleichung beschreiben kann, dann hat man schon etwas erreicht. Damit lassen sich Vorhersagen treffen, was alles andere tun wird.« Das hat zu vielen großen Fortschritten in der Geschichte geführt.

Sollten Physiker jemals eine Weltformel finden, könnten die daraus resultierenden Fortschritte vielleicht den Lauf der Menschheitsgeschichte tief greifend verändern. Vielleicht aber auch nicht: Vielleicht würde eine Weltformel nur bahnbrechende Erkenntnisse für die Bereiche bieten, die so weit von der menschlichen Erfahrung entfernt sind, dass sie für das tägliche Leben keine Rolle spielen. Freese jedenfalls bleibt optimistisch: »Eine Weltformel würde die Dinge so verändern, wie es große grundlegende Fortschritte immer tun«, sagt sie. »Man weiß nicht, wie die Veränderungen aussehen könnten, bis man am Ziel ist« – und das ist natürlich etwas, was die Physik nicht vorhersagen kann.